News des Tages: Wahlverlierer SPD, Klaus Töpfer gestorben, Kinderarbeitsreport 2024 (2024)

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News des Tages: Wahlverlierer SPD, Klaus Töpfer gestorben, Kinderarbeitsreport 2024 (1)

1. Deutschland im Fehlermodus

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Manchmal fragt man sich schon, in welcher Welt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lebt. Erst kanzelte er am Abend der Europawahl meine Kollegin Marina Kormbaki aus dem SPIEGEL-Hauptstadtbüro mit einem »Nö« ab, als sie ihn bat, die Ergebnisse zu kommentieren.

Die Sozialdemokraten, die im Wahlkampf auch auf Scholz als Zugpferd setzten, fielen auf 13,9 Prozent (2019: 15,8 Prozent) – ihr schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl überhaupt.

Dann benötigte der Kanzler 24 Stunden, um doch ein Statement abzugeben. Ja, die Wahl sei schlecht für die Ampelparteien gelaufen. Aber nun gehe es darum, die Arbeit zu machen und »sich darauf vorzubereiten, dass die Zustimmung immer größer werden wird, sodass man auch bei der nächsten Bundestagswahl die Ergebnisse zur Wahl stellen kann und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger für die Arbeit hat.«

Woher Scholz seinen Optimismus nimmt, dass die Zustimmung für die Regierung bis zur regulären Bundestagswahl im Herbst 2025 »immer größer« wird, verrät er nicht. Offenbar gehört zur Arbeit der Ampel inzwischen auch Selbsthypnose, anders ist die Fähigkeit zur Autosuggestion kaum zu erklären. Auch die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken sieht Scholz durch das schlechte Abschneiden der Sozialdemokraten bei der Europawahl nicht als beschädigt an. »Nein, ganz sicher nicht.« SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert machte das vermeintlich schlechte Image der Koalitionspartner Grüne und FDP für das schlechte Abschneiden der SPD verantwortlich und verstieg sich gar zu dem Begriff »Kontaktschuld«.

Meine Kollegin Nadia Pantel schreibt in ihrem Leitartikel, zwei der Gründungsstaaten der Europäischen Union – Deutschland und Frankreich – seien die Sorgenkinder Europas. Sie hätten sich über Jahrzehnte als »Motor« inszeniert, hätten oft abfällig auf Staaten wie Polen, die Slowakei oder Estland herabgeblickt, die vor 20 Jahren der EU beigetreten sind. Heute aber lasse sich ausgerechnet die Mitte Europas von Kräften verführen, die für nachbarschaftliche Kooperation wenig übrig habe. Jene osteuropäischen Länder, die lange als »Rand« abgetan wurden, hätten dagegen einen viel stärkeren Rechtsdrall im EU-Parlament verhindert.

In Brüssel könnten, so Nadia, Mehrheiten auch weiterhin ohne die Beteiligung Rechtsextremer organisiert werden. Weil zum Glück nicht alle EU-Länder alle Fehler gleichzeitig machten. Auch eine ehrliche Analyse schlechter Wahlergebnisse gehört zu einer fehlerfreien Politik. Doch Deutschland scheint sich entschieden zu haben, auch da ein Ausfall zu sein.

  • Lesen Sie hier den ganzen Leitartikel: Es gibt keinen pauschalen Rechtsruck in Europa

2. Das grüne Gewissen der CDU

Das Bundesumweltministerium wurde erst 1986 unter der Regierung von Helmut Kohl gegründet. Kaum einer erinnert sich noch an den ersten Umweltminister (Walter Wallmann), viele aber an den zweiten. Er hatte das Amt 1987 übernommen und blieb bis 1994: Klaus Töpfer. Die meisten wissen noch, wie er 1988, ausgestattet mit Badekappe und Neopren, durch den Rhein geschwommen ist, um zu belegen, dass der Fluss sauber sei und keine Gefahren mehr von ihm ausgingen.

Heute ist der frühere CDU-Politiker Klaus Töpfer im Alter von 85 Jahren gestorben. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) würdigte Töpfers Beharrlichkeit und Geduld im Kampf für die Umwelt. Damit sei er »bis zuletzt ein weltweit gehörter und international geachteter Mahner« gewesen. Ob sich Wüst wirklich mit den Anliegen Töpfers vertraut gemacht hat? Im Jahr 2022 sprach sich Wüst dafür aus, dass Atomkraftwerke nicht abgeschaltet, sondern in die Reserve genommen werden. Generell war aus der Union zu hören, dass die Abwicklung der Kernenergie ein historischer Fehler sei.

Für Töpfer dagegen war die Atomkatastrophe von Tschernobyl im April 1986 der Anlass, eine Zukunft ohne Kernenergie, aber auch mit immer weniger fossilen Energien anzustreben. Als Chef der von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Reaktorkatastrophe von f*ckushima eingesetzten Ethikkommission hatte er entscheidenden Anteil am endgültigen deutschen Atomausstieg 2023.

Da verwundert es kaum, dass die Anteilnahme von den Grünen fast größer ausfällt als von der CDU. Für die grüne rheinland-pfälzische Umweltministerin und Vorsitzende der Umweltministerkonferenz, Katrin Eder, gehörte Töpfer zu den »profiliertesten Umweltpolitikern« der Republik. »Er war ein Vorkämpfer, aber auch Vordenker einer modernen Umweltpolitik. Er war anerkannt als Umweltschützer mit hoher internationaler Reputation.«

Später wurde Töpfer noch Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen und kämpfte von diesem Posten aus für biologische Vielfalt und Klimaschutz. Man wünschte sich, die CDU würde sich nicht nur am Todestag ihres Parteifreundes an derartige Themen erinnern.

  • Lesen Sie hier mehr: CDU-Politiker Klaus Töpfer ist tot

3. Kinder im Steinbruch der sozialen Netzwerke

Neulich war bei uns zu Hause die Rede von Mandy Brobeck und ihrem Mann Oskar. Kennen Sie nicht? Wir bislang auch nicht. Unsere 14-jährige Tochter war auf deren Instagramprofile Fitnessoskar und Healthy_Mandy gestoßen. Ob das so healthy ist, was die beiden bei Instagram so machen, darf jedoch bezweifelt werden. Denn vor zusammen mehr als 1,6 Millionen Followern breiten sie ihr komplettes Familienleben aus – inklusive Geburt des gemeinsamen Kindes.

Für das Kinderhilfswerk Terre des Hommes fällt das ganz klar unter Kinderarbeit. Denn die Eltern verdienen nur Geld, indem sie den Nachwuchs öffentlich zur Schau stellen – ohne, dass der sich wehren kann. In seinem aktuellen Kinderarbeitsreport 2024 kritisiert die Organisation, dass die Regularien viel zu lasch seien. Bund und Länder müssen den Kinder- und Jugendarbeitsschutz dringend verbessern.

Das Jugendarbeitsschutzgesetz geht bislang nicht expliziert auf die Arbeit von Familieninfluencern ein. »In der juristischen Diskussion wird die Mitwirkung von Kindern in solchen Kanälen als ›Schaustellung‹ bewertet«, schreibt Terre des Hommes in seinem Bericht. »Damit wären Ausnahmeerlaubnisse nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz nicht möglich.« Für Kinder unter drei Jahren seien Ausnahmen laut Gesetz ohnehin völlig ausgeschlossen. Aber gerade Babys und Kleinkinder werden in solchen Kanälen bevorzugt gezeigt, sie bringen meist besonders viele Klicks und Likes.

Meine Kollegin Heike Le Ker hat den Bericht ausgewertet. Dabei geht es keineswegs nur um Profilierungen vor Handykameras. Terre des Hommes prangert auch an, dass Kinder etwa in Bars oder Restaurants arbeiten müssen, dass sie alkoholische Getränke ausschenken und sogar nachts arbeiten. Teilweise waren Kinder auch durch die Arbeit mit gefährlichem Werkzeug gefährdet. 480.000 Kinder pflegen Angehörige und sind damit für die Familien eine oft wichtige und mitunter sogar unverzichtbare Stütze.

»In Deutschland arbeiten mehr Kinder und Jugendliche unter schädlichen Bedingungen als bisher bekannt«, so das Fazit der Kinderschützer. »Kinderarbeit scheint es immer nur woanders zu geben, ganz weit weg«, sagt Heike. »Terre des Hommes weist zu Recht darauf hin, dass wir diesem Graubereich zu wenig Aufmerksamkeit schenken: Kinder brauchen Schutz, wenn Eltern ihn diesen nicht geben.«

  • Lesen Sie hier mehr: »In Deutschland arbeiten mehr Kinder unter schädlichen Bedingungen als bisher bekannt«

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Abgeordnete von AfD und BSW bleiben Selenskyj-Rede fern: Die Wagenknecht-Partei BSW und die AfD stehen im Verdacht besonderer Russlandnähe. Nun ist es im Bundestag zum Eklat gekommen: Während der Rede des ukrainischen Präsidenten sind viele ihrer Abgeordneten nicht da.

  • Klage gegen deutsche Waffenexporte an Israel abgelehnt: Deutschland darf weiter Waffen an Israel liefern. Nach der Niederlage Nicaraguas hat auch das Berliner Verwaltungsgericht eine Klage gegen deutsche Exportgenehmigungen für Waffenlieferungen nach Israel abgewiesen.

  • Mehrheit der deutschen Industrieunternehmen befürwortet Strafzölle gegen China: Ein Großteil der Industriefirmen in Deutschland hält Strafzölle auf chinesische E-Autos laut einer Umfrage für gerechtfertigt. Die Firmen klagen auch abseits der Autobranche über Preisdruck aus China.

  • Miroslav Klose wird Trainer des 1. FC Nürnberg: Neuer Job für Miroslav Klose: Der Weltmeister von 2014 übernimmt als Coach beim 1. FC Nürnberg. Es ist der zweite Cheftrainerposten für ihn im Profifußball.

Meine Lieblingsgeschichte heute: Elegant und intrigant

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Vor zehn Jahren starb der »FAZ«-Kulturchef Frank Schirrmacher, einer der bedeutendsten Feuilletonisten des Landes, ein Mann, der »Angst und Ehrfurcht« auslöste, nicht nur in der Redaktion, sondern im ganzen Kulturbetrieb Deutschlands. Meine Kollegin Susanne Beyer hat anlässlich des Todestages zahlreiche Freunde und Gegner Schirrmachers besucht, um der Frage nachzugehen, was eigentlich bleibt, wenn einer der einflussreichsten Journalisten stirbt. Lassen sich die großen Debatten, für die auch Schirrmacher stand, noch so führen? Ist die kreative Kraft, die er verkörperte, auch ohne die Dämonie zu haben, die ihm oft vorgeworfen wurde? »Schirrmacher war gleichzeitig Machtmensch mit Hang zur Intrige und König der Feuilletondebatten«, sagt Beyer, »seine Stimme fehlt, sein Führungsstil nicht.«

  • Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Das zwiespältige Erbe von »FAZ«-Herausgeber Frank Schirrmacher

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Wie die Kanzlei Freshfields alle Seiten berät: Seit der Benko-Pleite tobt eine juristische Schlacht um die Zukunft des Hamburger Elbtowers. Mittendrin ist die Starkanzlei Freshfields, die mehrere Seiten zugleich berät. Fachleute finden das fragwürdig.

  • Gefüttert bis zum Erbrechen: Nahezu täglich sind Kitakinder Machtmissbrauch und Grenzüberschreitungen ausgesetzt. Doch nachweisen lässt sich das kaum. Fälle, die juristisch geahndet werden, sind nur die Spitze des Eisbergs. Ist gewaltfreie Erziehung ein unerreichbares Ideal?

  • »Wo Abstiegsangst vorherrscht, kann die AfD punkten«: Evonik-Chef Christian Kullmann bezeichnet den AfD-Erfolg bei der Europawahl als schockierend. Nicht nur für die Demokratie, sondern weil »nationalistisches Getöse« auch Wirtschaft, Wachstum und Wohlstand schade.

  • Havertz oder Füllkrug – wer ist der richtige Stürmer für die DFB-Elf? Bei den vergangenen Turnieren hat das DFB-Team zahlreiche Chancen produziert, aber viel zu wenige davon zu Toren verwertet. In der EM-Vorbereitung lief es zuletzt wieder so. Wie es diesmal trotzdem besser werden soll.

Was heute weniger wichtig ist

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Versetzt – verletzt: Im vergangenen Dezember platzte ein Date der Sängerin Billie Eilish, 22, weil der Mann ohne Entschuldigung nicht erschienen ist. Im BBC-Podcast »Miss Me?« erzählte sie mit der britischen Sängerin Lily Allen und der Radiomoderatorin Miquita Oliver davon, dass sich der Mann, den sie schon seit Jahren kannte, nie wieder bei ihr gemeldet hat. Offenbar sei er zu feige gewesen, um ihr die Wahrheit zu sagen. »Ich hasse Feiglinge wirklich«, so Eilish. »Und wenn ich den Eindruck habe, dass jemand feige ist, macht mich das einfach so wütend.«

Mini-Hohlspiegel

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Hier finden Sie den ganzen Hohlspiegel.

Cartoon des Tages

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Und heute Abend?

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Heute sprach der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Bundestag. Anlässlich der Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in Berlin warnte Selenskyj indirekt vor dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und der AfD: »Die radikale prorussische Rhetorik ist gefährlich.« Als ob sie es ahnten, boykottierten Vertreter beider Parteien Selenskyjs Rede im Bundestag und verließen demonstrativ den Saal.

Das BSW wirft Selenskyj vor, er trage dazu bei, »eine hochgefährliche Eskalationsspirale zu befördern«. Er würde seine Bevölkerung als Kanonenfutter »für einen nicht gewinnbaren Krieg zwangsrekrutieren.«

Offenbar schnallen die Wagenknechte bis heute nicht, wer die Eskalationsspirale ständig befördert: Wladimir Putin. Ein Anruf bei seiner Armee – und der »nicht gewinnbare Krieg« ist vorbei. Derartige Forderungen sind allerdings nicht zu vernehmen aus der neuen Partei.

Meine Kollegen Markus Feldenkirchen und Rasmus Buchsteiner haben in einem großen Report alles zusammengetragen, was man über das BSW wissen muss.

Sie könnten sich heute Abend in der ARD-Mediathek zusätzlich auch eine neue Doku »Trotz und Treue« über Sahra Wagenknecht ansehen; mein Kollege Christian Buß schrieb dazu, Wagenknecht sei von der Betonkommunistin zur Radikal-Opportunistin geworden.


Ich wünsche Ihnen einen erkenntnisreichen Abend. Herzlich

Ihr Janko Tietz, Ressortleiter Nachrichten

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